Alle Texte sind von Mirek Kuzniar. © 2022, © 2023 Mirek Kuzniar.



In Fetzen

Fünf Tage und fünf Nächte lag ich sterbend da
Nur Mücken, Fratzen, zitternde Kälte, ich war nicht ganz klar
Schreiende Schmerzen, kotzen und scherzen, dass da was war
Noch einmal kommen, sich lebend belohnen, doch nichts geschah

Zurückkehren, das Leben fortsetzen als Kind, als wachsender Baum
Hauptsache sprießen, sich wieder begießen mit Schweiß der rockenden Frau'n
Nicht einfach gegangen zu sein, ohne an der Zukunft zu kau'n
Unter den Achseln, Läuse, die faxen, die dem Körper das Leben anhau'n

Zu Ende
Gelebt zu haben
Zu Ende
Bis in den Graben
Zu Ende
Reinziehen die Luft
Zu Ende
Bis in die Zukunft

Am sechsten Tag wusch ich mein Gesicht in einer Zauberquelle
Mein trübes Sterbensleid und Bild erstrahlte in weißer Helle
Ich gehe zum Telefon und ich halte mir die Daumen
Diese Abgründe, Angst, die Zweifel, Selbstzerstörungslaunen

Mir graut's vor Telefonaten, aber ich muss es ihr einfach sagen
Bevor sie's von anderen erfährt, die nichts zu erzählen haben
Fragende Augen, bin unfähig ihr in die Augen zu schauen
Und dennoch glaube ich an ihre Augen, die mich total umhauen

Telefon
Sie sieht mich nicht
Telefon
Sie riecht mich nicht
Telefon
Sie kann mich spüren
Am Telefon
Mich verführen

Ich gehe zum Telefon, im Gespräch muss ich wegschauen
Weil ich ihre Augen spüren kann, dieses sanfte Himmelsblau
„Große Hoffnung mach ich mir nicht, dass du das ohne mich schaffst
Vielleicht drei, vier Tage lang. Es macht mich krank, wenn du so bluffst

Am Telefon, im Gespräch, vorm Hörer musst du wegschauen
Weil du mich spüren kannst, ich könnte dir so in die Fresse hauen
Hoffnung mach ich mir nicht, dass du das ohne mich schaffst
Vielleicht dieses Wochenende, an dem du an mich herandarfst“

Die Ankunft
Die hol ich nach
Die Ankunft
Du legst mich flach
Bei der Ankunft
Noch ziemlich krank
Bei der Ankunft
Ach, Gott sei Dank

Es ist dunkel, surrealistisch schwarz
Plötzlich tauchen bunte Lichter auf
Enge Straßen, und im Nu
Tauchen wir in das Bowies Blue

Es ist dunkel, surrealistisch schwarz
Plötzlich tauchen bunte Lichter auf
Alles geschieht unbeschreiblich schnell
Rasch, wie sie ihre Nächte erhellt

Wir stehen auf einmal auf einer Kneipenhinterhof Plattform
Springen hinüber, und landen in ein Feld voller Korn
Und lachen drüber, und lachen darüber und lachen darüber
Wie einst in Heilbronn, und werden nicht müder

Wir nehmen die Welt kaum zur Kenntnis
Wir finden es sogar als lästiges Bekenntnis
So ein Getue wegen öffentlichem Pinkeln
Wir grüßen euch nicht, verzichten auf das Winken

Haben wir alles?
Sind wir gesund?
Haben wir alles?
Liebesspeichel im Mund
Alles
Sind wir wirklich da?
Alles
Na, klar

Ganz sicher werdet ihr uns nicht anbeten
Zuckende Körper, Körperlichter beben
Wir vernaschen uns gleich hier am Ort
Direkt unter der Laterne, bis in den Tod

Uns überrascht heute nichts mehr
Kein Nachtregen der Küsse, hin und her
Der Liebesschlamm, der Saft am Körpermantel
Der sich zu einem Meer total verwandelt

Die Zungen
Tun ihre Pflicht
Die Zungen
Säubern das Gesicht
Morgen
Werden wir an die Nacht
Denken
Und uns ein Grinsen schenken

Wir haben keine Zeit uns zu erholen
Zu arg beschäftigt uns neu zu besohlen
Zerrissene Kleider, zerrissene Körper
Alles voller Fetzen, wir stehen auf Folter

Besprechen werden wir alles morgen
Nachdenken werden wir über uns morgen
Wir telefonieren bestimmt morgen
Ich ruf dich an … morgen

Ich ruf dich an
Ich ruf dich an
Nein, ich ruf dich an
Ich ruf dich an ….

Gosse

Als ob es jemanden interessiert
Du weißt, dass es niemand wirklich tut
Als ob es jemand je kapiert
Welche Straßen färbt dein Blut

Wenn du ...
Gosse
In der …
Gosse
Aha
Gosse

Als wäre dir im Leben nichts passiert
Niemand sieht, wie du dich verbiegst
Als ob das, was du durchmachst, nicht existiert
Wie tief du in der Gosse liegst

Gosse
Wie tief …
Gosse
In der
Gosse
Aha
Gosse

Es kümmert sich überhaupt niemand darum
Wie du durch das Leben stolperst
Dein Rücken schuftest dir krumm
Auf allen Vieren durch die Gosse holperst

Gosse
Aha
Gosse
Aha
Gosse
Aha
Gosse

Herbst Ohne Sophie

Der Sommer geht
Die alte Welt
Noch warm genug
Noch kein Entzug
Noch riech ich sie
Sophie

Am Straßenrand
Winkende Hand
Der Körper schwach
Fallendes Dach
Verwirrte Sie
Sophie

Kann es geben
In meinem Leben
Einen bunten Herbst
Ohne Sophies Herz

Kann es geben
In meinem Leben
Einen Herbst ohne sie
Sophie

Herbstlich wie heut
Vom Wind zerstreut
Irre Gefühle
In lauter Stille
Ergreifen sie
Sophie

Die Clownin

Gretel ist ein Clown
Lustig anzuschau'n
Aus ihr schießen Wunder
Traurige macht sie munter

Gretel geht es gut
Hinter Schminkenflut
Zerbrechen ihre Wunder
All dieser Zirkus-Plunder

Sie ist krank schon seit Jahren, doch noch ein Jahr
Sie ist krank schon seit Jahren, noch ein Jahr

Bis zur Rente
Bis zur Rente

Gretel auf dem Hochseil
Mancher findet es geil
Wenn der Clown runter fällt
Gelächter im Zirkuszelt

Gretel ist nicht reich
Sie wär' so gerne gleich
Ihre Zukunftsknie zittern
Ängste in ihr flimmern

Kinder in den Straßen
Wenn die sie anfassen
Ist sie voller Glück
Für ein kurzes Lebensstück

Stimmen in ihrem Hirn
Gedankenschweiß an der Stirn
Gretel ist ein Clown
Nicht lustig anzuschau'n

In Gladbach

Dich wieder zu sehen
Brauch dich nicht zu verstehen
Muss mit dir nicht reden
Oder mit dir leben

In Gladbach
Du saß auf meinem Dach
In Gladbach
Und du legtest mich flach

Dieses gewisse Gefühl
Wieder an dir zu wühlen
Du hinterließt viele Spuren
Nicht wie die anderen Huren

Hier in Gladbach
Bin ich stets wach
Mach mich für dich schwach
Auch wenn du mich auslachst

Fast Ein Liebeslied

Deine Lippen
Deine Titten
Die sind kaum verschieden

Schön prall
Brust-Anal
Die sich kaum verbiegen

Ich singe dir fast ein Liebeslied
Das ich für dich wie verrückt einst schrieb
Damals, erstmals
Heute, nur Träume

Ich singe dir fast ein Liebeslied
Das ich für dich wie verrückt einst schrieb
Damals, erstmals
Heute, nur Schäume

Vielleicht

Vielleicht kann ich mich mal ansehen
Vielleicht werde ich mich verstehen
Vielleicht ein Leben ohne Störung
Dem Staat biete ich meine Entehrung

Vielleicht schenke ich mir Gelächter
Einen Sinn für meine Wächter
Vielleicht flüstere ich mir ins Ohr
Mit einem freundlichen Lach-Humor

Ein Scherz zu verstehen
Ein Scherz zu verstehen
Ein Scherz zu verstehen
Ein Scherz zu verstehen

Es ist nicht leicht gefunden zu werden
Es ist nicht leicht davon zu leben
Es ist nicht leicht den Anderen zu mögen
Dem Nachfolger hin-und-her-vergeben

Ein Schmerz zu verstehen
Ein Schmerz zu verstehen
Ein Schmerz zu verstehen
Ein Schmerz zu verstehen

Freude
So lange ich mich anschauen darf
Freude
Die Teilung der Sinne, ganz brav
Freude
Die ich mir so leicht erkläre
Freude
Die Zeit des Wahns, die ich begehre

In meinen Hallen der Unordnung
Träume, Fieber, wirre Vorstellung
Karawanen von flüsternden Schatten
Gesichter, Mondkindern, Schwäne und Ratten

Gebete in der prallen Sonne
Ein Hirn voll verlorener Straßen
Worte, Geheule, satanische und fromme
Worte, die mich vergaßen

Eigentlich war ich immer hier
Eigentlich war ich nie auf der Flucht
Ich war nie in irgendeiner Ferne
Ich war stets meine Sucht

Und täglich
Wenn ich den Strand hinauf gehe
Und täglich
Wenn ich auf dem Balkon stehe
Und täglich
Wenn ich mir zu winke
Täglich
Lach ich mich kaputt und stinke

Milliarden von Menschen gibt es da draußen
Aber dich
Milliarden von Menschen gibt es da draußen
Aber mich
Milliarden von Menschen gibt es da draußen
Die Freude darüber ist groß
Milliarden von Menschen gibt es da draußen
Die Freude darüber ist groß

Sophie Rive

Die Welt begann sich nur um sie zu drehen
Keine Zeit für Langeweile, stets unter Strom
Frauen, die nur in Träumen umhergehen
Beim Erwachen gleiten sie davon

Frankreich, in den Straßen, Sophie Rive
Ein Blinzeln, ein Lächeln, ein Hallo
„Willkommen hier in meinem Film
Bin kein Engel, lieben wirst du mich sowieso

Flugzeuge fallen herab
Wenn die über mich hinwegfliegen
Tote verlassen ihr Grab
Nur um mir in die Augen mal zu blicken“

Frankreich, in den Straßen, Sophie Rive
Ein Blinzeln, Salut und ein Gehstock
Höllisch gut, als sie an mir griff
Gelächter, Kreuzungen und Punkrock

Frankreich, ihre Straßen und van Goghs
Knoblauch-Küsse und ein Gehstock
Verdammt gut, als ich an ihr roch
Ein Lachen, ein Lieben und Punkrock

Die Nacht

Schlafe heute sanft nicht ein
Schlafe heute sanft nicht ein

Zeit fließt … so rasch … vorbei
Fließt davon … zu rasch … vorbei

Bleibe wach

Schlafe heute bloß nicht ein
Verschließ' die Tür vorm Sensenmann
Grab' keine Gräber
In deinem wachen Land

Bleibe wach
Zeit vergeht
Rasch
Wut und Angst

Kein gläubiger Mensch
In dieser Nacht
Tritt freiwillig in die Geisterschlacht

Bleibe wach
Zeit schwimmt davon

In den Häusern schweben Ängste
Zeiten, schwarz wie die Nacht

Schlafe heute sanft nicht ein
Alter Mensch der Dunkelheit
Grauer Zustand des Wahns
Grab' die Toten nicht ins Land

Schwäbische Haut

Frau, Heilbronner Braut
Schwäbische Haut
Stolz sie zu sein

Frau, erhobenes Haupt
Zum Frühstück Sauerkraut
Stolz sie zu sein

Und ich hab sie lieb …

Frau, sie braucht keine Krone
Königin auch ohne
Stolz sie zu sein

Frau, Rock-und-Metal-Sonne
Sonntags auch 'ne Fromme
Stolz sie zu sein

Und ich hab sie lieb …

Lass Mich Heim

Einst schriebst du Briefe
An mich ohne Rückkehr
Einst schriebst du Briefe
An mich ohne Rückkehr
Für mich rittest du Pferde
Von Bayern bis ans Meer

Einst war ich zu spät
Um an dich zu denken
Einst war ich zu spät
Um an dich zu denken
Und als ich endlich ankam
Konnte ich dir nichts schenken

Ein Bürger der Arroganz
In einem falschen Staat
Bestie der Intoleranz
Ich habe mich so satt

Kreatur als Ich-Mensch
Ein Geist als Dreck und Schwein
Kreatur als Ich-Mensch
Ein Geist als Dreck und Schwein
Meine kranke Seele
Lass sie bitte heim

Kreatur als Ich-Mensch
Ein Geist als Dreck und Schwein
Kreatur als Ich-Mensch
Ein Geist als Dreck und Schwein
Vor dir steht ein Kranker
Bitte lass mich heim

... Und Bald Sind Wir Tot

Geschichte
Ein Reich zerbrochener Rippen
Vor lauter Lachen
Erinnerungsfreude
Aus Irgendwo
Ein Postkartenstempel
Mit Augen-Gruß
„O, tauche nicht unter“

Zuschauer betrachten heut meine Adern
Welch' Blut davon fließt
Ein Meer
Eine aufgeschlitzte Körper-See

In einem Hotel in …
Irgendwo
Sophie auf meiner Leinwand
Wie Édith Piaf
Zynische Französin
Als Heldin geweiht
Spielt für mich Klavier
Und bald sind wir fort

Ein Maler am Himmel gestreckt
Malt sein letztes Bild
Sophie
Am Klavier

Als Maler am Himmel gestreckt
Mal ich mein letztes Bild
Und Sophie
Und bald sind wir tot

Sophie am Piano
Ich schließ die Leinwand
Édith winkt Ciao
Bis Nirgendwann-Land

Sophie am Piano
Ich schließ die Leinwand
Édith sagt Ciao
Erschwert ist die Hand

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